Der NABU Lütjenburg positioniert sich für einen Nationalpark Ostsee und gegen die Abwertung transparenter demokratischer Prozesse
Sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
nach interner Abstimmung haben sich die aktiven Mitglieder des NABU Lütjenburg dazu entschieden, die Positionierung des NABU Schleswig-Holstein in der Diskussion um einen „Nationalpark Ostsee“ durch einen eigenen Appell mitzutragen und zu unterstützen. In den jüngsten Äußerungen des Ministerpräsidenten Daniel Günther und dem CDU-Parteitagsantrag, dessen Abstimmung eine Entscheidung in dieser Frage vorwegnehmen soll, sehen wir nicht nur eine Gefahr für die dringend notwendigen Schutzbemühungen hinsichtlich der Ostsee, sondern auch eine weitere Abwertung transparenter demokratischer Prozesse.
Anbei finden Sie unseren Appell in Form eines offenen Briefes, den wir allen CDU-Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein haben zukommen lassen.
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,
den NABU Lütjenburg erreichte die Nachricht, dass die Fraktion der CDU des Landes Schleswig-Holstein auf ihrem Parteitag am 5. Oktober 2023 eine Abstimmung über die Frage eines Nationalparks Ostsee plant.
Dem entsprechenden Antrag „Für einen besseren Zustand der Ostsee“ und den Äußerungen namhafter Politiker der CDU, allen voran des Ministerpräsidenten Daniel Günther, entnehmen wir, dass Sie der Idee eines Nationalparks Ostsee bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage erteilen wollen. Dies, obwohl der von der Landesregierung beschlossene und eingeleitete Konsultationsprozess noch gar nicht abgeschlossen ist.
Die Mitglieder des NABU Lütjenburg betreuen ehrenamtlich mehrere an der Küste gelegene Naturschutzgebiete: „Sehlendorfer Binnensee und Umgebung“, „Kleiner Binnensee und angrenzende Salzwiesen“, „Strandseenlandschaft Schmoel“ sowie „Kronswarder und südöstlicher Teil des Großen Binnensees“. Ein großer Teil dieser Gebiete wird touristisch genutzt, attraktive Beobachtungsmöglichkeiten und Besuchereinrichtungen ermöglichen dort Touristen und Einheimischen ein ganz besonderes Naturerlebnis. Wir wollen einerseits selbstverständlich Biotope und Arten schützen, aber andererseits Menschen daran teilhaben lassen. Daher pflegen wir seit vielen Jahren diese Einrichtungen und die offiziellen Beschilderungen des Landes. Zurzeit entsteht am Sehlendorfer Binnensee nach Idee und auf Initiative des NABU Lütjenburg ein weiterer Naturerlebnispfad mit mehreren attraktiven Beobachtungseinrichtungen und Umweltbildungsangeboten, sicherlich ein Leuchtturmprojekt für die Region. Die Planung und Realisierung erfolgt in bestem Einvernehmen mit den Gemeinden, weil die Zusammenarbeit im gegenseitigen Respekt für den erforderlichen Naturschutz und die Belange des Tourismus seit Jahren gut funktioniert.
Dennoch halten wir es für dringend erforderlich, einen besseren Schutz der Ostsee verbindlich und rechtssicher zu regeln, Freiwilligkeit reicht nicht. Aus unserer Sicht ist die beste Form die Einrichtung eines Nationalparks, so wie sie an der Nordseeküste und außer in Schleswig-Holstein an der gesamten Ostseeküste bereits zahlreich bestehen. Die Ostsee ist ein sterbendes Meer, ein „Weiter so“ wird nach Erkenntnis namhafter Fachleute zum Kollaps führen, auch mit gravierenden Folgen für den Tourismus.
Der NABU Lütjenburg hat sich in der bisherigen, aus unserer Sicht teilweise von den Nationalparkgegnern sehr unsachlich geführten Diskussion zurückgehalten. Dies geschah, um der ergebnisoffenen Gestaltung des von der Landesregierung angestoßenen Konsultationsprozesses nicht im Wege zu stehen. Wir sind irritiert, dass sich nun der Eindruck abzeichnet, dass die CDU dem Nationalpark bereits jetzt eine Absage erteilen will und nicht bereit ist, den von ihr selbst eingeleiteten demokratischen und für die Öffentlichkeit jederzeit nachvollziehbaren Prozess abzuwarten. Gerade unter den sich bei uns ehrenamtlich engagierenden Menschen, aber auch bei unseren sehr engagierten jungen Naturschützerinnen und Naturschützern macht sich, unabhängig von der fachlichen Problematik, Enttäuschung und Politikverdrossenheit breit.
Wir appellieren dringend an Sie, bei Ihrer Parteitagsentscheidung Verantwortung für dieses Land zu übernehmen. Für die Menschen, die hier heute leben und morgen leben wollen und auch von der Ostsee leben müssen. Für diejenigen, die unser Land besuchen, um sich zu erholen und den regionalen Betrieben Einnahmen sichern. Für die Menschen, die an die Demokratie glauben und sie nicht irgendwelchen Populisten überlassen wollen und die gerade in Ihre Koalition große Hoffnungen gesetzt hatten. Wir alle müssen unserer Verantwortung für junge Menschen und die kommenden Generationen gerecht werden.
Die Ostsee braucht Schutz, der Erhalt der Artenvielfalt ist nicht nur unsere Angelegenheit, sondern internationale Verpflichtung. Brutvögel aus Skandinavien und Island rasten hier im Winter und benötigen Ruheräume. Die Bestände von Schweinswalen und Dorschen müssen sich erholen können, um nur wenige Beispiele zu nennen. Die Ostsee kann den Interessen unserer Gesellschaft heute und morgen nur gerecht werden, wenn jetzt endlich wirksame Maßnahmen für den Erhalt ihrer Lebensräume ergriffen werden.
Bitte schaffen Sie in Ihrer Regierungsverantwortung die Voraussetzungen dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Schmidt
Vorsitzender des NABU Lütjenburg
Weiterführende Informationen zum Thema
Land und Bund
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Land Schleswig-Holstein: Informationen
zum laufenden Konsultationsprozess
CDU Schleswig-Holstein - Landesparteitag am 05. Oktober
- Antrag der CDU im Kreis Plön: Ablehnung der Einrichtung eines Nationalparks Ostsee
- Antrag der CDU-Kreisverbände Ostholstein, Rendsburg-Eckernförde, Schleswig-Flensburg, Flensburg, Kiel, der Jungen Union Schleswig-Holstein und des CDU-Landesvorstandes: Für einen besseren Zustand der Ostsee
Medien
- Tagesschau: Ist die Ostsee noch zu retten?
- Tagesschau: Deutschland hat nicht genug für Naturschutz getan
- Schleswig-Holstein Magazin: Sterblichkeit bei Schweinswalen steigt dramatisch
Petitionen
NABU Schleswig-Holstein